Entscheidungsfindungsprozesse bei der Auswahl künstlerischer Nachlässe.
Wer gestaltet wie und warum diesen Teil des kulturellen Erbes in der Gegenwart?
Das Thema „Künstler*innennachlass“ erfährt in den letzten beiden Dekaden einen breiten öffentlichen Diskurs. Museen werden bislang als zuständig erachtet, einen repräsentativen Ausschnitt der Kunstproduktion für nachfolgende Generationen zu bewahren. Jedoch sehen diese Institutionen in der Aufnahme von künstlerischen Nachlässen häufig nicht ihren eigentlichen Sammlungsauftrag und betonen die mangelnden Ressourcen zur adäquaten Bearbeitung von gesamten Künstler:innennachlässen.
Als Korrektiv zu der bisherigen Auswahlpraxis öffentlicher Institutionen wirken in jüngster Zeit private Akteure. Auf bürgerschaftlichem Engagement fussende Nachlassinitiativen und Estates widmen sich vermehrt der Bewahrung von Nachlässen. Ihnen geht es darum, die künstlerische Vielfalt breiter abzubilden und künstlerische Nachlässe marginalisierter Positionen, die in öffentlichen Sammlungen unter- oder sogar gar nicht repräsentiert sind, vor dem Vergessen zu bewahren. So wird die Deutungshoheit von Kunstmuseen herausgefordert.
Das Forschungsprojekt untersucht die Organisation und die Entscheidungsfindungsprozesse der beteiligten Akteure beim Erhalt künstlerischer Nachlässe. Zentrale Forschungsfragen sind dabei: Welche künstlerischen Nachlässe werden zur kunsthistorischen Repräsentation als kulturelles Erbe ausgewählt oder verworfen? Wer wählt sie warum aus oder verwirft sie? Welche Bedingungen führen dazu, dass bestimmte künstlerische Nachlässe bewahrt werden oder andere nicht? Wie und wem werden sie dann gezeigt und warum werden sie so gezeigt?
Will man die Überlieferung von Kunstschaffen im Sinne der „kulturellen Nachhaltigkeit“, das heisst im Sinne der Sicherung kultureller Ressourcen für das „kulturelle Gedächtnis“ (nach Aleida Assmann) gestalten, ist es unabdingbar, diese Entscheidungsfindungsprozesse zu verstehen. Die Studie soll erste Erkenntnisse darüber liefern, nach welchen Kriterien die Entscheider*innen über die langfristige Bewahrungswürdigkeit von künstlerischen Nachlässen der Bildenden Kunst urteilen.

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